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Hallo Leute,

ein Thread, der bereits mehrere Wochen alt ist ... und dennoch möchte
ich diesen aufgrund seiner Wichtigkeit und aktueller Ereignisse noch
einmal kommentieren. Ich gebe zu, dass ich bereits vier Anläufe für eine
Antwort genommen habe ... und jeweils wurde eine unheimlich lange Mail
für den Ordner "Entwurf" geboren.

Mit Version #5 versuche ich eine (naja) Kurzfassung: Alle bisher
gemachten Aussagen (siehe unten, schön zusammengefasst durch Irmhild -
Danke!) zu Sinn, Vor-/Nachteilen und Sorgen haben ihre Berechtigung. Je
nach Sichtweise ...

Jetzt aber das "aber", denn: Im Endeffekt "lebt" ein solch großes
Projekt wie "LibreOffice" von Anwendern, selbst wenn diese von unserem
Vorgehen und unseren Grundsätzen nichts (oder wenig) wissen. Für einen
großen Teil zählt meist nur das Endergebnis - egal wie es realisiert
wurde.

Für uns gilt also: Wenn Anwenderinteressen unberücksichtigt sind, dann
fehlt die Verbreitung der Software, es gibt nur geringe finanzielle
Unterstützung und keine Teilnahme von Firmen am Projekt (ob diese nun
mit-entwickeln oder nur andere Software-Systeme anbinden). Bei einer
solch komplexen Software wie der unsrigen unerlässlich (meine Meinung).

Alles "ist gut", wenn die Community-Mitglieder im Projekt möglichst
ähnliche Wünsche und Ideen im Vergleich zu "puren Anwendern" haben -
dann deckt man diese automatisch mit ab. Nur, ist dem so? Gilt dies für
einen Großteil unserer Anwender? Wer sind diese Anwender? Wie konsequent
setzen wir deren Wünsche um? Verpassen wir etwas sehr wichtiges?

Aus meiner Sicht gibt es viele Möglichkeiten an diese Informationen zu
kommen - sie variieren z. B. in Aufwand, Aussagekraft und
Dokumentierbarkeit. Eines jedoch ist kaum umsetzbar - nämlich, dass
"pure Anwender" die Interessen einer großen Gruppe "purer Anwender"
vertreten (siehe Betreff der Mail). Es muss also jemanden geben, der
diese Arbeit übernimmt - dabei ist es egal, ob es Vertrieb, Marketing,
UX, oder die Service-Abteilung ist (um mal in Firmen-Strukturen zu
sprechen).

Im aktuellen Fall haben (glücklicherweise) Isabel und Björn dem
Design-Team ihre Unterstützung angeboten - sie haben ziemlich viel
Erfahrung in diesem Bereich. Ich verweise hier mal auf eine Mail, die
eine erste größere Studie ankündigt, um mehr über unsere Anwender zu
erfahren:
http://listarchives.libreoffice.org/global/design/msg02824.html

Ein erster Schritt - wobei wir sicher mit jeder Studie weitere
Erfahrungen sammeln, was für uns gut oder auch weniger gut funktioniert.
Daher schlussendlich meine Bitte in Bezug auf die ursprünglich
angesprochene Nutzervertretung:
      * Verfolgt bitte die Ergebnisse (und deren Erarbeitung), denn nur
        dann sind diese im Projekt sichtbar und glaubwürdig
      * Helft bitte bei der Erstellung, Verbreitung und Auswertung von
        solchen Studien

Aus meiner Sicht ist das genau die Richtung, die (ein Teil des)
Design-Teams einschlagen sollte. Ein großes Dankeschön daher an Irmhild,
Isabel und Björn! :-)

Viele Grüße,
Christoph


Am Montag, den 16.05.2011, 12:09 +0200 schrieb Irmhild Rogalla:
Hallo @ll,

vielen Dank für die bisherigen Beiträge - positiver wie kritischer Art - 
zu meinem Vorschlag.

Da diese Beiträge sehr vielfältig sind, versuche ich mal, Entscheidendes 
zusammenzufassen und noch ein bisschen für meine Idee zu werben ;-)

< letztlich sehr lang geworden, wer mag, kann die Zusammenfassung 
überspringen -> vgl. u.: "Fazit" >

Aus meiner Sicht gibt es im wesentlichen drei Punkte, die bisher 
diskutiert wurden:

1. Wer sind die End-Nutzer? Wie sind sie erreichbar (sind sie es 
überhaupt)? Was können sie (nicht)?

2. Wer vertritt die End-Nutzer? Ist das überhaupt möglich, sinnvoll, 
notwendig? Welche Rolle haben oder hätten sie? Wie ginge das mit der 
Organisation und Arbeit einer solchen Vertretung?

3. Worum kann es inhaltlich bei der Mitwirkung der End-Nutzer gehen? Wie 
könnte das Verhältnis zu anderen Beteiligten, insbesondere den 
Entwicklern, gestaltet werden?

zu 1. Wer sind die End-Nutzer? usw.:

Florian R. schrieb, dass "alle Zielgruppen" berücksichtigt werden 
sollten, darunter auch
- Schüler (bis Matura | Abitur)
- Studenten
- (Entschuldigung für das Wort) Notorische Computerverweigerer "Wenn es 
einfach ist, dann gut!"
- Ältere, die sich nicht mit Computern auskennen ca. 60+ 
(Entschuldigung, wenn ich euch damit beleidige, wenn ihr in diese Gruppe 
fällt)
- ...

Durch diese Liste (die ja beliebig erweiterbar wäre) werden natürlich 
Probleme einer potentiellen Nutzervertretung offensichtlich, die 
ebenfalls schon angesprochen wurden:
- Sind (diese) End-Nutzer überhaupt erreichbar/ansprechbar? ("Und ganz 
nebenbei, wie willst du die Benutzer erreichen die auch jetzt keine der 
Möglichkeiten des Kontakts wahrnehmen." Michael M.)
- Würden sie sich einer Mitwirkung nicht verweigern ("Konsumhaltung") 
oder ihr mit Unverständnis begegnen?
- Können (solche) Nutzer überhaupt sinnvolle Beiträge leisten?

zu 2.:  Wer vertritt die End-Nutzer? usw.

Abgesehen von der prinzipiellen Frage, welche Rolle die Wahrnehmung und 
Beachtung von End-Nutzern für ein F/OSS-Projekt überhaupt spielt (vgl. 
unten), gab es mehrere Stellungnahmen (Bernhard, André, teilweise auch 
Michael M.(?)) die für eine indirekte Vertretung der Endnutzer plädieren 
bzw. diese bereits sehen, wenn auch nicht mit hinreichendem Nachdruck. 
Der Ort dafür ist dann insbesondere das UX-Team und die geeigneten 
Personen kämen aus diesem Team und/oder aus der Gruppe der 
User-Betreuer/innen.
Gegen ein eigenes Gremium spricht auch der Aufwand und die Gefahr eines 
"bürokratischen Monsters".

Zudem gibt es ein prinzipielles Problem: Verliert jemand, der über die 
Fähigkeit verfügt, End-Nutzer/innen zu vertreten und ihre Sicht 
gegenüber Entwicklern zu kommunizieren, nicht automatisch die 
Eigenschaft "typischer Nutzer/in"? ("Das merkwürdige ist doch, sobald 
jemand sich im Rahmen dieser Nutzervertretung beteiligt ist er Teil der 
Community und man ist genau da wo man auch jetzt schon ist." Michael M.; 
in der Tendenz ähnlich auch Bernhard und André)

zu 3.: Worum kann es inhaltlich bei der Mitwirkung der End-Nutzer gehen? 
Wie könnte das Verhältnis zu anderen Beteiligten, insbesondere den 
Entwicklern, gestaltet werden? usw.

Ich fang' mal mit der zweiten Frage an, da hier die Positionen sehr weit 
auseinander gehen. Die Extrempunkte sind: Bedürfnisse der (End)-Nutzer 
sind wenn nicht entscheidend so doch sehr wichtig (explizit von mir 
selbst so vertreten ;-)) bis zu: Was im Projekt tatsächlich passiert, 
entscheiden die Entwickler (als diejenigen, die die Arbeit machen: "Das 
ist gerade der Punkt der mich irritiert. Ich sehe keinerlei 
Ausgestaltung die das grundlegende Prinzip, dass am Ende jemand die 
Arbeit machen muss aushebeln kann." Michael) oder diejenigen, die die 
Entwickler bezahlen (Das Projekt soll sich/kann sich nicht nach den 
Vorstellen der Nutzer richten sondern richtet sich "Nach den 
Vorstellungen derjenigen die etwas dazu beitragen oder den Vorstellungen 
derer die andere dazu bezahlen etwas beizutragen." Michael M.).
Dazwischen gibt es einiges, wobei es im wesentlichen um das 
Sichtbarmachen und Kommunizieren der Anwenderbedürfnisse geht.

Stefan W. hält die Frage offen: "Das Ziel des einzelnen Mitwirkenden 
kann zwar, muss aber überhaupt nicht sein, dass man ein Produkt 
herstellt, das möglichst vielen Endanwendern Nutzen und Freude bringt. 
Auf die Frage, wie stark sich das Projekt an den Bedürfnissen der Nutzer 
orientiert und ob es das mehr oder weniger tun sollte, ist für mich 
daher gar nicht so leicht zu beantworten." und verweist damit wieder auf 
den Kontext F/OSS-Projekt.

Zur Frage der Inhalte der Mitwirkung wurden allgemein das genannt, was 
im UX-Team eine Rolle spielt/spielen könnte ("Letztendlich geht es 
darum, die Wichtigkeit bestimmter Punkte für den Endanwender bei den 
Programmierern so präsent zu machen, dass diese auch Interesse an deren 
Umsetzung haben." Bernhard), außerdem
- "Probleme und Wünsche der "typischen End-User"" (André)
- Feature-Requests, darunter "Makro-Unterstützung von Excel" und "ein 
eigener Mail-Client"
- (seit Jahren offene) Bug-Reports

Soweit erstmal die Zusammenfassung - ich hoffe, ich habe niemanden 
übersehen und keinen wichtigen Punkt ausgelassen.

Fazit:
Nun: noch gebe ich nicht auf - allerdings sehe ich, dass die Form(en) 
der End-NutzerInnen-Vertretung der weitere Diskussion bedarf.

Wichtig: Selbstverständlich müssen Aufwand und Ertrag in einem wirklich 
angemessenen Verhältnis stehen und jeder bürokratische Overhead 
vermieden werden, dass können wir uns wirklich nicht leisten. Zudem: 
Selbstverständlich bin ich selbst bereit mich in diesem Bereich - über 
das Schreiben langer Mails hinaus ;-) - zu engagieren. Mir ist aber 
trotz einschlägiger Andeutung immer noch nicht klar, was in dieser 
Hinsicht sinnvoll und zielführend ist/sein könnte.
[NB @Bernhard: Ich lesen schon seit längerem die Design-Liste mit. (Und 
ich weiß auch, dass UX Christoph ein entscheidendes Anliegen ist.) 
Zugegeben: vieles auf der Liste überfliege ich nur, manches lese ich gar 
nicht. Auch ist mir nicht wirklich klar, was hier wichtig ist und was 
sich an Wichtigem vielleicht auf der Liste nicht widerspiegelt. Mein 
Eindruck ist allerdings, dass UX so gut wie keine Rolle spielt, 
diskutiert (und bearbeitet?) werden Design-Themen im engeren Sinne.]

Ein weiterer Punkt: Offensichtlich verweist das Thema "Berücksichtigung 
von (End)-Nutzer-Bedürfnissen" bei F/OSS-Projekten auf prinzipielle 
Fragen oder gar Schwierigkeiten. Ich weiß, dass es (viele?) Entwickler 
gibt, die bei F/OSS-Projekten gerade deswegen mitmachen, weil sie in 
Bezug auf das "was" und "wie" dessen, was sie entwickeln/programmieren 
ihren eigenen Vorstellung folgen können. Ich weiß auch, dass LibO (oder 
auch OOo) noch ein paar zusätzliche Besonderheiten/Schwierigkeiten 
aufweisen, wie Herkunft aus closed source, schiere Größe des Programms 
wie des Projekts, ausgeprägte "Konkurrenz" zu ähnlichen, auch 
kommerziellen, Programmen etc.
Als Extremposition könnte man hier formulieren: F/OSS-Programme, die 
sich an End-Nutzer richten, sind unmöglich (oder sie erfordern mündige 
Anwender, die (zumindest potentiell) bereit und in der Lage sind, 
Beiträge zu leisten, die sie für die Aufnahme in die Community 
qualifizieren - das sind aber größtenteils nicht die End-Nutzer, die in 
dieser Diskussion gemeint sind).

Gerade deswegen und mit Blick auf die neue Konkurrenz (z.B. Dienste wie 
google docs oder neue Endgeräte) scheinen mir neue Wege angesagt, die 
sich sicher nicht auf "Votings über Feature-Requests" beschränken 
können. Ich denke da eher an Formen der Partizipation und Kommunikation, 
in der beide 'Seiten', Entwickler wie Nutzer, eine aktive (im Idealfall: 
gleichberechtigte) Rolle spielen. Gegenseitiges Verständnis und 
"Überzeugung" sind hier die entscheidenden Stichworte.
Allerdings scheint auch mir selbst das gerade, nach allem was 
geschrieben und diskutiert wurde, sehr idealistisch ;-) Zumal es eine 
Änderung der Prinzipien bedeutet, ist also ein langfristiges Ding ...

Thematisch/inhaltlich denke ich da auch eher an die langfristige 
Ausrichtung und grundlegende Entscheidungen, und weniger an die täglich 
Arbeit. Deswegen wollte/will ich ja auch eine Vertretung/Repräsentation 
in der TDF.
Vielleicht hilft ja eine Metapher: In der Frühzeit des Automobils musste 
jeder Autofahrer auch mehr oder minder Automechaniker sein, das war 
sogar Bestandteil der Führerscheinprüfung. Dann gab es eine lange Zeit, 
in der Autos immer "nutzerfreundlicher" wurden. Mittlerweile kann 
praktisch jede/r Autofahren (lernen) und nur noch die wenigsten 
verstehen, was dabei vor sich geht (oftmals werden auch in der Werkstatt 
nur noch Module gemäß Computerdiagnose ausgetauscht - ob das wirklich 
nutzerfreundlich ist, steht auf einem anderen Blatt ;-)).
Aber: In Bezug auf SW befinden wir uns aus meiner Sicht derzeit mehr 
oder minder am Ende der Zeit des Autofahrer=Automechaniker-Daseins. 
Deswegen scheint mir das "wie" des nutzerfreundlicher Werdens ganz 
entscheidend (oder alternativ die Entscheidung, dass sich LO nur an 
bestimmte Zielgruppen richtet).

Dies nochmal als Diskussionsbeitrag.

Viele Grüße
      Irmhild






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