Hi,
vielen Dank für deine ausführliche und kritische Auseinandersetzung mit unserem Entwurf.
Am Dienstag 06 Oktober 2015, 23:52:16 schrieb Regina Henschel:
Hallo Till,
ich habe manches gelöscht, worauf ich mich nicht beziehe, damit es
übersichtlich bleibt.
Till Schäfer schrieb:
[..]
Aber hier nun der Entwurf der etwas übersichtlicher auch im
editierbaren Foepad [3] zu finden ist:
[..]
<h2>Abschnitt 2: Das OOXML-Format und seine Tauglichkeit als
Austauschformat</h2>
Als Möglichkeit zum Versenden von editierbaren Anhängen gibt die
Stadt Dortmund das OOXML-Format (Office Open XML) von Microsoft an.
Die Stadt spricht hier vom DOCX-Format, was sich auf die Dateiendung
(.docx) von Dokumenten im OOXML-Format bezieht. Beide Begriffe meinen
dasselbe; wir werden im Folgenden jedoch den Begriff OOXML
verwenden, da dieser auch in der entsprechenden ISO-Norm ISO/IEC
29500 verwendet wird.
In wieweit DOCX-Format und OOXML "dasselbe" sind wäre zu diskutieren,
ist aber hier nicht relevant.
Ja, das Schreiben der Stadt meint hiermit allerdings das selbe. Sie sagen ja auch, dass das
DOCX-Format ISO-genormt sei.
Der Abschnitt im Wortlaut:
<blockquote>
Die Umstellung der städtischen PC’s [sic!] auf Microsoft Office 2013
steht vor dem Abschluss. Microsoft Office 2013 erstellt Dokumente
nicht mehr in geschlossenen Formaten wie DOC, sondern im quelloffenen
DOCX-Format. Diese Formatspezifikation wurde ECMA International von
Microsoft zur Standardisierung vorgelegt, worauf die
Erstveröffentlichung als Norm ISO/IEC 29500 im Jahre 2008 erfolgte.
Mit dieser Version von Microsoft Office können dann auch
Informationen ohne Konvertierung als Anhang versendet werden.
</blockquote>
Obwohl es sich bei der ISO-Norm offiziell um einen Offenen Standard
handelt, wird diese Wahl in Abschnitt 3 des Antwortschreibens
ausführlich begründet. Dass ein solcher ISO-Standard noch weiter
durch Argumentation gestützt werden muss, hat nach Meinung von
<em>Do-FOSS</em> folgende Gründe:
<h3>OOXML wird ausschließlich von Microsoft Office 2013 unterstützt
und eignet sich daher nicht als Offenes Austauschformat</h3>
Zum jetzigen Zeitpunkt wird die OOXML-Norm ausschließlich von
Microsoft Office 2013 umgesetzt. Das verwundert insofern nicht, als
dass Microsoft dieses Format im Alleingang entwickelt und der ISO zur
Normierung vorgeschlagen hat. Aber selbst Microsoft Office 2013
speichert in der Standardeinstellung Dokumente immer noch in einer
nicht standardisierten Variante. Damit im OOXML-Standard gespeichert
wird, muss beim Speichern eines Dokumentes explizit das Format
"Strict Open XML Document (.docx)" ausgewählt werden. Andere
Programme - inklusive aller älteren Microsoft-Office-Versionen -
unterstützen den OOXML-Standard nicht. Daher ist es fraglich,
inwiefern das OOXML-Format als herstellerunabhängiges und
plattformübergreifendes Austauschformat und somit als Antwort auf die
Anfragen der Politik geeignet ist.
Auch SoftMaker kann OOXML lesen und schreiben und unterstützt über
Windows hinaus auch Android. Wie gut die Norm umgesetzt wird, kann ich
allerdings nicht sagen. Berücksichtigt man darüber hinaus noch die
Fähigkeiten von LibreOffice OOXML lesen und schreiben zu können und die
Bemühungen Microsofts für MAC, dann halte ich "herstellerunabhängiges
und plattformübergreifendes Austauschformat" bei OOXML für erfüllt.
Um welche Variante handelt es sich denn hier? Laut meines Wissens sind nur die MS-Produkte in der
Lage strict zu speichern [1]. Es kann aber natürlich auch sein, dass ich hier etwas übersehen habe.
Eine Voraussetzung für das ISO-Norm-Konforme Verhalten ist meines Wissens, dass neue Dokumente in
strict gespeichert werden.
[1]
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_software_that_supports_Office_Open_XML#ISO.2FIEC_29500:2008_.2F_ECMA-376_2nd_edition_implementations
Nun mögen sich Anwender von Mcrosoft-Office-2003/2007/2010,
Libre-/OpenOffice und einigen weiteren Produkten fragen, warum sie in
diesen Programmen Dokumente mit der Dateiendung .docx öffnen und
speichern können. Dies ist dadurch zu erklären, dass in der Praxis
nur wenige Dokumente mit der Dateiendung .docx tatsächlich auch der
ISO-Norm ISO/IEC 29500 entsprechen. In der Standardeinstellung von
Microsoft Office 2013 und in allen älteren Versionen von Microsoft
Office werden Teile des Dokuments in proprietären Formaten
abgespeichert, welche nicht standardisiert wurden. Daher müssen
andere Softwarehersteller die Spezifikationen von diesem
Dateiformaten in langwierigen Testreihen erraten (Reverse
Engineering), was zu Formatierungsfehlern beim Austausch solcher
Dokumente führt.
Das ist nicht richtig. Microsoft hat alle Office-Formate offengelegt.
Die Probleme entstehen, weil es Features in einem Format gibt, die es im
anderen Format nicht gibt. Das gilt sowohl für ODF -> OOXML als auch
umgekehrt.
es gibt sicherlich auch technische gründe....
Desweiteren kannst du Microsoft nicht vorwerfen, in den Produkten nicht
vollständig der Norm zu entsprechen. Produkte entwickeln sich und auch
schon vorhandene nicht genormte Features müssen zumindest eine zeitlang
für Rückwärtskompatibilität gepflegt werden. Auch LibreOffice benutzt in
der Standardeinstellung "1.2 extended" Features, die in der ODF-Norm
noch nicht enthalten sind.
Sind denn auch die binären Bestandteile von OOXML vollkommen offen gelegt?
Gibt es über die nicht-genormten MS-"extensions" eine Dokumentation? Ich meine der Unterschied bei
Libre-Office ist doch zumindest, dass die extended Features eine quelloffene
Referenzimplementierung haben. Oder kann man hier das Open XML Format SDK als
Referenzimplementierung für die MS-Erweiterungen ansehen?
Ich sehe ein, das es sinnvoll sein kann und in den meisten Fällen auch ist Erweiterungen zu
implementieren bevor diese in den Standard aufgenommen werden. Dies stellt meiner Meinung nach
jedoch kein Problem dar, wenn die Stadt z.B. auch den Standard ODF 1.2 einstellen kann. (so wie ja
auch strict in MS-Office erst eingestellt werden muss).
Aus diesen Gründen hat sich z.B. Großbritannien auf
den OpenDocument-Standard anstelle des OOXML-Formats festgelegt (UK
Open Standards principles:
https://www.gov.uk/government/publications/open-standards-principles/open-standards-principles
+ Meldung GOV.UK
https://www.gov.uk/government/news/open-document-formats-selected-to-meet-user-needs)
<h3>Das OOXML-Format wird von vielen Institutionen, welche sich mit
Offenen Standards beschäftigen, nicht anerkannt</h3>
Das Ziel eines Standards in der Softwareentwicklung ist die
Interoperabilität, also das reibungslose Zusammenwirken von
unterschiedlichen Softwarebestandteilen oder -produkten zu
garantieren. Offene Standards garantieren darüber hinaus, dass diese
Interoperabilität nicht durch Geheimhaltung, Monopolrechte oder
finanzielle Hürden eingeschränkt werden kann. Somit ist jeder
Hersteller frei, einen Offenen Standard ohne Einschränkungen zu
verwenden, und bekommt die Rechtssicherheit, dass diese Verwendung
auch in der Zukunft auf juristischem Wege nicht eingeschränkt werden
kann.
Um diese Herstellerneutralität umzusetzten, fordert z.B. das
<strong>European Interoperability Framework</strong>
(http://ec.europa.eu/idabc/en/document/3473/5585.html#finalEIF) der
Europäischen Kommision, dass ein Offener Standard in einem
transparenten, beteiligungsoffenen Prozess von einer gemeinnützigen
Organisation entwickelt und gepflegt wird. Insbesondere muss ein
Offener Standard bereits auf herstellerübergreifender Basis
implementiert worden sein, um zu einem Offenen Standard erhoben zu
werden. <Fußnote 1: siehe auch Orginaltext> So schreibt auch die
Free Software Foundation Europe:
<blockquote> Ein Offener Standard bezieht sich auf ein Format oder
Protokoll, das: [...] in verschiedenen vollständigen
Implementierungen von verschiedenen Anbietern oder als vollständige
Implementierung gleichermaßen für alle Beteiligten [verfügbar ist].
</blockquote>
Die herstellerübergreifende Implementierung ist bei OOXML jedoch
nicht gegeben (s.o.). Selbst Microsoft konnte zum Zeitpunkt der
Standardisierung durch das ISO-Gremium keine eigene Implementierung
vorweisen.
<Fußnote 1> The standard is adopted and will be maintained by a
not-for-profit organisation, and its ongoing development occurs on
the basis of an open decision-making procedure available to all
interested parties (consensus or majority decision etc.). </Fußnote
1>
Die Weiterentwicklung von OOXML liegt bei der ISO beim JTC 1/SC 34/WG4.
Dort ist Microsoft nicht dominierend.
Die Frage die sich mir hier eher gestellt hat war, wie viel die Norm überhaupt mit der Realität zu
tun hat. Es hilf ja nicht, wenn die Dokumente in einem anderen (nicht offenen) Format im Umlauf
sind; für die Norm aber fast keine Implementierungen existieren.
<h2>Abschnit 3: Stadt Dortmund verweist erstmalig auf ihre
Herstellerabhängigkeit</h2>
[..]
Der Abschnitt im Wortlaut: <blockquote> Die Stadt Dortmund setzt in
den einzelnen Stadtämtern eine Reihe von IT-Fachverfahren ein. Die
Auswahl solcher Anwendungen erfolgt grundsätzlich durch öffentliche
Ausschreibungen, wobei neben den fachlichen Anforderungen in hohem
Maße auch die Kosten (Open Source) berücksichtigt werden.
Die Mehrzahl der Softwarehersteller bietet als Schnittstelle in ihren
Anwendungen, beispielsweise für das Erstellen von Bescheiden, neben
Microsoft Office keine weiteren Produkte an.
Im Zuge der Prüfung eines Einsatzes von OpenOffice wurde seitens des
StA 10 eine Anfrage an Verfahrenshersteller gerichtet, die solche
Schnittstellen im Arbeitsablauf ihrer Programme verwenden. Von 41
angeschriebenen Herstellern waren nur drei bereit, Open Office zu
unterstützen. Die Firma SAP unterstützt ausdrücklich in seiner
Office-Integration OpenOffice und auch LibreOffice nicht mehr,
sondern nur noch Microsoft Office. Als Folge dieser
Anbieterausrichtung käme lediglich eine Mischumgebung aus LibreOffice
/ OpenOffice sowie Microsoft Office in Frage. Arbeitsplätze, die
nicht an Fachverfahren angebunden sind oder aus anderen Gründen
nicht zwingend Microsoft Office benötigen, würden dann mit
LibreOffice / OpenOffice ausgestattet.
Das Ergebnis der von StA 10 erstellten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung
(WiBe 21) ist, sowohl aus Kosten- als auch aus Nutzensicht, dass ein
alleiniger Einsatz von Microsoft Office 2013 (ohne Mischumgebung mit
LibreOffice / OpenOffice) auf allen IT-Arbeitsplätzen der
Stadtverwaltung die kostengünstigste Alternative ist. </blockquote>
Mit ihrer Argumentation verweist die Stadt Dortmund erstmals
offiziell auf ihre Herstellerabhängigkeit. Die Auswahl der einzelnen
Softwarelösungen kann nicht unabhängig voneinander erfolgen, da die
Schnittstellen zwischen diesen Anwendungen auf Microsoft Office
beschränkt sind.
Die Abhängigkeit entsteht aber nicht durch das Dateiformat, sondern
dadurch dass die Verknüfungen über die API erfolgen. Solche
Abhängigkeiten würden genauso entstehen, wenn die API von LibreOffice
benutzt wird.
Was ich auch als Problem ansehen würde. Es müsste hier herstellerunabhängige Schnittstellen geben
oder zumindest eine breite Kompatibilität von Seiten der Stadt angestrebt werden. Das Problem ist
meiner Ansicht nach, dass die Stadt zwar eigentlich herstellerneutral ausschreiben muss, praktisch
dazu aber keine Möglichkeit hat. Jedes Produktupgrade (z.B. von Win XP auf Win7, von Office 2003
auf 2013, etc.) ist damit eigentlich schon entschieden bevor der Rat darüber entscheiden kann. Der
Rat kann nur noch entscheiden: sind wir bereit uns Handlungsunfähig zu machen oder setzen wir die
vorhandene Software weiter ein (auch wenn diese u.U. zu teuer, technisch unzureichend, etc ist).
[..]
<h2>Fazit</h2> Es ist zu befürworten, dass die Stadt Dortmund das
Offene Format PDF/A für den Austausch von unveränderlichen Daten
verwendet und zur Erstellung dieser Dokumente Freie Software
einsetzt. Das OOXML-Format hält <em>Do-FOSS</em> jedoch für
ungeeignet, um einen herstellerneutralen Austausch von Dokumenten zu
ermöglichen. Interne Abhängigkeiten bei der Softwareausrichtung der
Stadt werden hier an die Bezirksvertretungen weitergegeben und
zwingen die Bezirksvertreterinnen und Bezirksvertreter daher auch
weiterhin Produkte eines speziellen Herstellers zu verwenden.
Es wäre wünschenswert, wenn die Stadtverwaltung eine Lösung finden
würde, um den freien Dokumentenaustausch mit Personen zu ermöglichen,
welche keine Arbeitsgeräte von der Stadt Dortmund gestellt bekommen.
OOXML ist dank LibreOffice und SoftMaker herstellerneutral genug, dass
man nicht mit Microsoft Office arbeiten muss.
s.o. Ich denke es gibt hier einen Unterschied zwischen Norm und Praxis. Libre-Office implementiert
meines Wissens ebenfalls nicht den strict-Standard.
Mir erscheint es wichtiger, dass die Stadt Dortmund Vorbilder und
Richtlinien für Dokumente entwickelt, die sich problemlos zwischen OOXML
und ODF konvertieren lassen, und dass in der Stadtverwaltung prinzipiell
eingehende Dokumente auch im ODF Dateiformat ohne Murren akzepiert
werden, und dass auf Wunsch auch Dokument im ODF Format erstellt werden.
Das ist ein guter Hinweis, den wir so auch aufnehmen werden.
Selbst wenn sich die Stadt Dortmund für Dokumentenaustausch darauf
einließe nur das ODF Format zu benutzen, würde dies nicht zwingend eine
Abkehr von Microsoft Office bedeuten. Auch bei Microsoft Office ist das
ODF Format jederzeit unter "Speichern unter" erreichbar. Und wirklich
schlecht ist die Umsetzung von ODF in MS Office 2013 nicht.
Das wäre an dieser Stelle für uns auch OK (auch wenn wir an anderer Stelle natürlich für den
Einsatz Freier Software argumentieren). Wir wollen aber nicht, dass diese Wahl auch die Wahl der
Software der Bezirksvertretungen beeinflusst. Der Knackpunkt scheint uns hier aber zu sein, vor
allem die Schnittstellen zu standardisieren und darüber eine gewisse Herstellerneutralität zu
erreichen.
Viele Grüße
Till
Mit freundlichen Grüßen
Regina
--
Till Schäfer
Do-FOSS - Vertrauen braucht Freie Software
die Initiative für Freie und Quelloffene Software für die Stadt Dortmund
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