Liebe Freie-Formate-Verfechter,
vor einiger Zeit hatten wir (Do-FOSS) Anfragen aus 10 von 12 Dortmunder Bezirksvertretungen zum
Thema Offene Austauschformate gestellt [1]. In diesen wollten wir wissen inwiefern die Stadt in der
Lage ist mit ihren Bezirksvertretungen mittels Offener Formate zu kommunizieren. Inzwischen sind
dazu die Antworten der Stadt eingegangen (Beispielantwort: [2]). In diesen gibt die Stadt Dortmund
an, mittels PDF und OOXML kommunizieren zu können. Insbesondere fügt sie eine
Sachzwangargumentation an, in der Sie erläutert warum OOXML / der Einsatz von MS-Office aus Sicht
der Stadt alternativlos ist.
Wir haben nun eine Stellungsnahme zu den Antworten erstellt in der wir Argumentieren, warum OOXML
aus unserer Sicht als plattformübergreifendes und herstellerunabhängiges Austauschformat ungeeignet
ist. Wir würden uns über Feedback von eurer Seite freuen, bevor wir diese an die
Bezirksvertretungen verteilen. Natürlich steht der Text unter CC0 und kann damit uneingeschränkt
auch von euch verwendet werden, falls ihr eine ähnliche Diskussion mal führen müsst.
Aber hier nun der Entwurf der etwas übersichtlicher auch im editierbaren Foepad [3] zu finden ist:
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<h1>Antwort der Stadt Dortmund zu Anfragen aus den Bezirksvertretungen nach Offenen Standards</h1>
Die meisten der Antwortschreiben der Stadt Dortmund auf die Anfragen aus den Bezirksvertretungen
zu Offenen Formaten sind inzwischen eingegangen. Die bisher erhaltenen Antwortschreiben
unterscheiden sich ausschließlich durch die Anschrift, sodass wir hier nur eine Variante zitieren
werden. Der Vollständigkeit halber, bieten wir jedoch alle Antwortschreiben am Ende dieses
Artikels zum Download an.
Die Antwortschreiben sind grob in drei Abschnitte unterteilt:
Im ersten Abschnitt geht die Stadt Dortmund auf die Möglichkeit des Versands von PDF-Dokumenten als
Offenes Austauschformat ein. Dieses Format ist für die originalgetreue Darstellung von
nicht-veränderlichen Inhalten und für Archivierungszwecke (LINK Spezifikation PDF/A) entworfen
worden. Deshalb erscheint es <em>Do-FOSS</em> folgerichtig, dass die Stadt in dem nächsten
Abschnitt ein veränderbares Format als Alternative angibt. Hier verweist die Stadt Dortmund auf
das OOXML-Format (Dateiendung: .docx) der Firma Microsoft, welches von dem kürzlich bei der Stadt
Dortmund eingeführten Microsoft-Office 2013 unterstützt wird. Den darauf folgenden Teil des
Schreibens interpretiert <em>Do-FOSS</em> als Begründung dafür, dass das OOXML-Format aus Sicht der
Stadt Dortmund alternativlos (https://de.wikipedia.org/wiki/Alternativlos) ist und warum das
OpenDocument-Format (nicht angeboten wird. Bei dieser Begründung geht die Antwort der Stadt
Dortmund über die gestellten Fragen hinaus und befasst sich mit weitergehenden Zusammenhängen bzgl.
der Wahl der Office-Suite der Stadt. Die einzelnen Abschnitte werden wir im Folgenden näher
vorstellen und Stellung zu diesen nehmen.
<h2>Abschnitt 1: Stadt Dortmund setzt beim Offenen Format PDF/A auf Freie Software</h2>
Der Abschnitt im Wortlaut:
<blockquote>
auf allen städtischen PC’s [sic!] ist eine freie Software zum Erstellen von PDF-Dokumenten
installiert, die genutzt werden kann, um nichtquelloffene Dateiformate in PDF umzuwandeln.
Für die Geschäftsführungen der jeweiligen Bezirksvertretungen besteht damit die Möglichkeit,
Dokumente in einem Freien und Quelloffenen Format an die Mitglieder der Bezirksvertretungen zu
versenden.
</blockquote>
Zusätzlich zu der Information, dass die Stadt Dortmund technisch dazu in der Lage ist, Dokumente im
PDF/A-Format zu versenden, enthält die Antwort noch das interessante Detail, dass sie für diese
Zwecke eine Freie und Quelloffene Softwarelösung verwendet. Dies scheint inbesondere
bemerkenswert, da die Stadt durch die explizite Erwähnung dieser Lösung Freier Software einen
gewissen Wert zuweist. Den Einsatz des PDF/A-Formats und die Verwendung einer Freien Software zur
Erstellung von Dokumenten in diesem Format begrüßt <em>Do-FOSS</em>.
<h2>Abschnitt 2: Das OOXML-Format und seine Tauglichkeit als Austauschformat</h2>
Als Möglichkeit zum Versenden von editierbaren Anhängen gibt die Stadt Dortmund das OOXML-Format
(Office Open XML) von Microsoft an. Die Stadt spricht hier vom DOCX-Format, was sich auf die
Dateiendung (.docx) von Dokumenten im OOXML-Format bezieht. Beide Begriffe meinen dasselbe; wir
werden im Folgenden jedoch den Begriff OOXML verwenden, da dieser auch in der entsprechenden
ISO-Norm ISO/IEC 29500 verwendet wird.
Der Abschnitt im Wortlaut:
<blockquote>
Die Umstellung der städtischen PC’s [sic!] auf Microsoft Office 2013 steht vor dem Abschluss.
Microsoft Office 2013 erstellt Dokumente nicht mehr in geschlossenen Formaten wie DOC, sondern im
quelloffenen DOCX-Format. Diese Formatspezifikation wurde ECMA International von Microsoft zur
Standardisierung vorgelegt, worauf die Erstveröffentlichung als Norm ISO/IEC 29500 im Jahre 2008
erfolgte. Mit dieser Version von Microsoft Office können dann auch Informationen ohne
Konvertierung als Anhang versendet werden.
</blockquote>
Obwohl es sich bei der ISO-Norm offiziell um einen Offenen Standard handelt, wird diese Wahl in
Abschnitt 3 des Antwortschreibens ausführlich begründet. Dass ein solcher ISO-Standard noch weiter
durch Argumentation gestützt werden muss, hat nach Meinung von <em>Do-FOSS</em> folgende Gründe:
<h3>OOXML wird ausschließlich von Microsoft Office 2013 unterstützt und eignet sich daher nicht
als Offenes Austauschformat</h3>
Zum jetzigen Zeitpunkt wird die OOXML-Norm ausschließlich von Microsoft Office 2013 umgesetzt. Das
verwundert insofern nicht, als dass Microsoft dieses Format im Alleingang entwickelt und der ISO
zur Normierung vorgeschlagen hat. Aber selbst Microsoft Office 2013 speichert in der
Standardeinstellung Dokumente immer noch in einer nicht standardisierten Variante. Damit im
OOXML-Standard gespeichert wird, muss beim Speichern eines Dokumentes explizit das Format "Strict
Open XML Document (.docx)" ausgewählt werden. Andere Programme - inklusive aller älteren
Microsoft-Office-Versionen - unterstützen den OOXML-Standard nicht. Daher ist es fraglich,
inwiefern das OOXML-Format als herstellerunabhängiges und plattformübergreifendes Austauschformat
und somit als Antwort auf die Anfragen der Politik geeignet ist.
Nun mögen sich Anwender von Mcrosoft-Office-2003/2007/2010, Libre-/OpenOffice und einigen weiteren
Produkten fragen, warum sie in diesen Programmen Dokumente mit der Dateiendung .docx öffnen und
speichern können. Dies ist dadurch zu erklären, dass in der Praxis nur wenige Dokumente mit der
Dateiendung .docx tatsächlich auch der ISO-Norm ISO/IEC 29500 entsprechen. In der
Standardeinstellung von Microsoft Office 2013 und in allen älteren Versionen von Microsoft Office
werden Teile des Dokuments in proprietären Formaten abgespeichert, welche nicht standardisiert
wurden. Daher müssen andere Softwarehersteller die Spezifikationen von diesem Dateiformaten in
langwierigen Testreihen erraten (Reverse Engineering), was zu Formatierungsfehlern beim Austausch
solcher Dokumente führt. Aus diesen Gründen hat sich z.B. Großbritannien auf den
OpenDocument-Standard anstelle des OOXML-Formats festgelegt (UK Open Standards principles:
https://www.gov.uk/government/publications/open-standards-principles/open-standards-principles +
Meldung GOV.UK https://www.gov.uk/government/news/open-document-formats-selected-to-meet-user-needs)
<h3>Das OOXML-Format wird von vielen Institutionen, welche sich mit Offenen Standards
beschäftigen, nicht anerkannt</h3>
Das Ziel eines Standards in der Softwareentwicklung ist die Interoperabilität, also das
reibungslose Zusammenwirken von unterschiedlichen Softwarebestandteilen oder -produkten zu
garantieren. Offene Standards garantieren darüber hinaus, dass diese Interoperabilität nicht durch
Geheimhaltung, Monopolrechte oder finanzielle Hürden eingeschränkt werden kann. Somit ist jeder
Hersteller frei, einen Offenen Standard ohne Einschränkungen zu verwenden, und bekommt die
Rechtssicherheit, dass diese Verwendung auch in der Zukunft auf juristischem Wege nicht
eingeschränkt werden kann.
Um diese Herstellerneutralität umzusetzten, fordert z.B. das <strong>European Interoperability
Framework</strong> (http://ec.europa.eu/idabc/en/document/3473/5585.html#finalEIF) der Europäischen
Kommision, dass ein Offener Standard in einem transparenten, beteiligungsoffenen Prozess von einer
gemeinnützigen Organisation entwickelt und gepflegt wird. Insbesondere muss ein Offener Standard
bereits auf herstellerübergreifender Basis implementiert worden sein, um zu einem Offenen Standard
erhoben zu werden. <Fußnote 1: siehe auch Orginaltext> So schreibt auch die Free Software
Foundation Europe:
<blockquote>
Ein Offener Standard bezieht sich auf ein Format oder Protokoll, das: [...] in verschiedenen
vollständigen Implementierungen von verschiedenen Anbietern oder als vollständige Implementierung
gleichermaßen für alle Beteiligten [verfügbar ist].
</blockquote>
Die herstellerübergreifende Implementierung ist bei OOXML jedoch nicht gegeben (s.o.). Selbst
Microsoft konnte zum Zeitpunkt der Standardisierung durch das ISO-Gremium keine eigene
Implementierung vorweisen.
<Fußnote 1>
The standard is adopted and will be maintained by a not-for-profit organisation, and its ongoing
development occurs on the basis of an open decision-making procedure available to all interested
parties (consensus or majority decision etc.).
</Fußnote 1>
<h2>Abschnit 3: Stadt Dortmund verweist erstmalig auf ihre Herstellerabhängigkeit</h2>
In diesem Abschnitt des Antwortschreibens wird argumentiert, warum der Einsatz von Microsoft
Office für die Stadt Dortmund zwingend erforderlich ist. Hierfür wird aufgeführt, dass eine
Vielzahl von (Fach-)Anwendungen den Einsatz von Microsoft Office erforderlich machen, da
alternative Office-Anwendungen von diesen nicht unterstützt werden.
Der Abschnitt im Wortlaut:
<blockquote>
Die Stadt Dortmund setzt in den einzelnen Stadtämtern eine Reihe von IT-Fachverfahren ein. Die
Auswahl solcher Anwendungen erfolgt grundsätzlich durch öffentliche Ausschreibungen, wobei neben
den fachlichen Anforderungen in hohem Maße auch die Kosten (Open Source) berücksichtigt werden.
Die Mehrzahl der Softwarehersteller bietet als Schnittstelle in ihren Anwendungen, beispielsweise
für das Erstellen von Bescheiden, neben Microsoft Office keine weiteren Produkte an.
Im Zuge der Prüfung eines Einsatzes von OpenOffice wurde seitens des StA 10 eine Anfrage an
Verfahrenshersteller gerichtet, die solche Schnittstellen im Arbeitsablauf ihrer Programme
verwenden. Von 41 angeschriebenen Herstellern waren nur drei bereit, Open Office zu unterstützen.
Die Firma SAP unterstützt ausdrücklich in seiner Office-Integration OpenOffice und auch
LibreOffice nicht mehr, sondern nur noch Microsoft Office. Als Folge dieser Anbieterausrichtung
käme lediglich eine Mischumgebung aus LibreOffice / OpenOffice sowie Microsoft Office in Frage.
Arbeitsplätze, die nicht an Fachverfahren angebunden sind oder aus anderen Gründen nicht zwingend
Microsoft Office benötigen, würden dann mit LibreOffice / OpenOffice ausgestattet.
Das Ergebnis der von StA 10 erstellten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (WiBe 21) ist, sowohl aus
Kosten- als auch aus Nutzensicht, dass ein alleiniger Einsatz von Microsoft Office 2013 (ohne
Mischumgebung mit LibreOffice / OpenOffice) auf allen IT-Arbeitsplätzen der Stadtverwaltung die
kostengünstigste Alternative ist.
</blockquote>
Mit ihrer Argumentation verweist die Stadt Dortmund erstmals offiziell auf ihre
Herstellerabhängigkeit. Die Auswahl der einzelnen Softwarelösungen kann nicht unabhängig
voneinander erfolgen, da die Schnittstellen zwischen diesen Anwendungen auf Microsoft Office
beschränkt sind.
<em>Do-FOSS</em> sieht diese Abhängigkeit als eine Folge von fehlenden Offenen Schnittstellen und
Offenen Formaten in der IT-Ausrichtung der Stadt Dortmund. Würde an dieser Stelle eine offene und
standardisierte Schnittstelle eingesetzt, so wäre die Auswahl des Office-Programms unabhängig von
der Wahl der Fachanwendungen. Zu diesem Problem bemerkte <em>Do-FOSS</em> bereits in dem Artikel
„Warum Freie Software und Offene Standards für die Stadt Dortmund?“:
<blockquote>
Offene Standards [und Schnittstellen] unterliegen keinen gewerblichen Schutzrechten. Das
bedeutet, dass es kein Monopol auf Offene Standards geben kann. Dies ist entscheidend, denn der
Inhaber eines Monopols auf einen Standard kann Datenaustausch auf rechtlichem Wege einschränken,
indem er ihn nur für eine gewisse Gruppe von Lizenznehmern erlaubt. Da kommunale Verwaltungen ihre
Dienste in der Regel langfristig anbieten und eine Umstellung der verwandten Formate mit
erheblichem Aufwand verbunden ist, werden Verwaltungen von den Rechteinhabern eines Standards
abhängig. Abhängigkeiten wie diese begünstigen wiederum steigende Preise aufgrund dieser
Monopolstellungen.
</blockquote>
<h2>Fazit</h2>
Es ist zu befürworten, dass die Stadt Dortmund das Offene Format PDF/A für den Austausch von
unveränderlichen Daten verwendet und zur Erstellung dieser Dokumente Freie Software einsetzt. Das
OOXML-Format hält <em>Do-FOSS</em> jedoch für ungeeignet, um einen herstellerneutralen Austausch
von Dokumenten zu ermöglichen. Interne Abhängigkeiten bei der Softwareausrichtung der Stadt werden
hier an die Bezirksvertretungen weitergegeben und zwingen die Bezirksvertreterinnen und
Bezirksvertreter daher auch weiterhin Produkte eines speziellen Herstellers zu verwenden.
Es wäre wünschenswert, wenn die Stadtverwaltung eine Lösung finden würde, um den freien
Dokumentenaustausch mit Personen zu ermöglichen, welche keine Arbeitsgeräte von der Stadt Dortmund
gestellt bekommen.
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[1]
https://orga.do-foss.de/attachments/download/616/2015-05-03%20-%20Dateianhaenge%20in%20Freien%20und%20Quelloffenen%20Formaten.pdf
[2]
https://orga.do-foss.de/attachments/download/737/2015-09-22%20-%20Stadt%20Dortmund%20-%20BV%20Aplerbeck%20-%20Anfrage%20zu%20Dateianhaengen%20in%20Freien%20und%20Quelloffenen%20Formaten.pdf
[3] https://pad.foebud.org/cZHr3Q2hbP
Viele Grüße
Till
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Dipl.-Inf. Till Schäfer
TU Dortmund University
Chair 11 - Algorithm Engineering
Otto-Hahn-Str. 14 / Room 237
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