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Hallo,

in einem Artikel, den ich dieser Tage im Original auf https://community.documentfoundation.org/t/from-the-machine-room-of-tdf-international-hirings/13360 veröffentlicht habe, und den ich euch hier in deutscher Übersetzung zur Verfügung stelle, möchte ich etwas Licht ins Dunkel bezüglich der Frage bringen, warum die Einstellung neuer Leute bei der TDF so lange dauert, bzw. warum manche Stellen noch nicht besetzt sind.

Die Rolle und das Budget definieren

Die erste Aufgabe besteht darin, die zu besetzende Stelle zu definieren. Bei LibreOffice gibt es so viel zu tun, aber gleichzeitig können nur einige Stellen direkt bei der Stiftung eingerichtet werden, da das Budget nicht unbegrenzt ist. In der Regel versuchen wir, Stellen zu besetzen, die entweder für den Betrieb der Stiftung von entscheidender Bedeutung sind und/oder die Community in die Lage versetzen, Dinge zu tun, und/oder für Aufgaben, die ein schnelles und zuverlässiges Tätigwerden erfordern. Das Wissen innerhalb der Stiftung, das offen und transparent mit der Community geteilt wird, ist ein weiterer Aspekt, anhand dessen wir zu besetzende Stellen identifizieren.

Stellenangebote müssen auch budgetiert werden, was eine Idee fürs angemessene Gehalt erfordert. Weiter unten werdet ihr sehen, warum dies nicht ganz so einfach ist. In der Regel budgetieren wir eine durchschnittliche Vergütung auf der Grundlage unserer Erfahrung, die manchmal überschritten, manchmal aber auch unterschritten wird.

Es ist auch nicht immer einfach, sich darauf zu einigen, welche Stellen besetzt werden sollen. Als Beispiel gab es bei den ersten Einstellungen von Entwickleren eine Diskussion darüber, "How to make sure they don't compete with other open source projects, or the ecosystem companies?"" (https://community.documentfoundation.org/t/enable-tdf-to-contribute-more-code-to-libreoffice-with-in-house-developers-to-address-our-donors-specific-needs/9051/54) und darüber, ob "TDF in-house developers will not compete with commercial contributors and will not develop alternative implementations of Open Source projects actively maintained by LibreOffice volunteer or corporate contributors" (https://community.documentfoundation.org/t/agenda-for-tdf-board-meeting-on-monday-november-14th-1800-berlin-time-utc-1/9222/5).

Die Meinungen dazu gehen natürlich auseinander, aber solche Diskussionen können echt zeitaufwändig sein und mehrere Monate dauern.

Stellenbeschreibung verfassen

Die zweite Aufgabe besteht darin, eine angemessene Stellenbeschreibung (https://blog.documentfoundation.org/blog/category/tenders/) zu verfassen, die zum einen ein Verständnis für die Rolle vermittelt, aber gleichzeitig genügend Flexibilität lässt, um in der Rolle zu wachsen und sich weiterzuentwickeln. Wir haben eine Vorlage mit den wichtigsten administrativen Punkten, aber die Stellenbeschreibung ist wichtig, um zu wissen, welche Fähigkeiten wir suchen, und sie wird später auch Teil des Vertrags sein.

Bewerber interviewen

Eine der größten Herausforderungen ist es, die Vorstellungsgespräche durchzuführen. Die Zahl der Bewerbungen auf unsere Stellenangebote ist in den letzten Jahren gestiegen, und heutzutage ist es nicht ungewöhnlich, dass wir 30, 40 oder sogar mehr Bewerbungen für eine Stelle bekommen. Es ist unmöglich, alle zu interviewen, weil ein gut vorbereitetes, durchgeführtes und ausgewertetes Vorstellungsgespräch leicht 2–3 Stunden Zeit von 2–3 Personen plus dem Bewerber bzw. Bewerberin in Anspruch nimmt.

An solchen Vorstellungsgesprächen nehmen normalerweise Leute teil, die über die nötigen technischen Kenntnisse für die Stelle verfügen, oft Mitglieder des Teams, und in einer späteren Phase auch Vertreter des Vorstands und/oder ich als Geschäftsführer.

Die Vorauswahl der zu interviewenden Bewerberinnen bzw. Bewerber ist eine anspruchsvolle Aufgabe: Die Fähigkeiten müssen beurteilt, die Gehaltsvorstellungen bewertet und nicht zuletzt sollten die Bewerberinnen bzw. Bewerber gut zum Team passen. Ich hab zwar keine aktuellen Statistiken zur Hand, aber aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass die letzte Runde der zu interviewenden Leute in der Regel zwischen 10 und 20 % der Gesamtbewerberungen ausmacht.

Internationale Einstellungen und Vertragsbedingungen

Sobald die endgültigen Personen ausgewählt sind, ist es eine weitere ziemlich anspruchsvolle Aufgabe, sich auf Vertragsbedingungen zu einigen. Hier spielen zwei Dinge eine Rolle, die TDF von vielen anderen Organisationen unterscheiden:

Wir stellen weltweit ein

Das ist für eine Organisation unserer Größe ziemlich ungewöhnlich. Normalerweise stellen andere Organisationen in Ländern ein, in denen sie einen Sitz bzw. ein Büro haben. Das würde bedeuten, dass alle Kandidatinnen und Kandidaten, die sich bei der TDF bewerben wollen, in Deutschland leben oder bereit sein müssen, vor Arbeitsbeginn nach Deutschland zu ziehen.

Eine unserer großen Stärken ist, dass wir mit Talenten aus der ganzen Welt zusammenarbeiten. Wir streben nach Vielfalt, unterschiedlichen Ansichten, unterschiedlichen Kulturen – und nicht zuletzt nach unterschiedlichen Zeitzonen, damit wir der Community rund um die Uhr zur Verfügung stehen können. ;-)

Wir wollen echte Arbeitsplätze schaffen

Etwas, was nicht alle anderen Organisationen oder Unternehmen tun, ist, wenn möglich echte Arbeitsverträge anzubieten. Wenn sich Menschen dazu verpflichten, für uns zu arbeiten, ihr Engagement, ihre Fähigkeiten und ihre Leidenschaft in das Projekt einzubringen, halten wir es für fair, ihnen die Sicherheit eines Arbeitsverhältnisses zu bieten. Nur Angestellte genießen echten Urlaub, Krankengeld, Feiertage und andere Vorteile.

Wenn du also den Einstellungsprozess bei TDF mit deinem eigenen Job vergleichst, frag dich zuerst, ob du in deinem Wohnsitzland einen Vertrag mit einer ausländischen Firma hast oder dir tatsächlich eine Anstellung angeboten wurde, ohne dass du umziehen musstest.

Wie funktioniert das?

In einigen Ländern könnte TDF theoretisch auch ohne eigenes Büro Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen, in anderen Ländern ist das nicht möglich. Allerdings ist es ziemlich schwierig, alle lokalen Vorschriften und Bestimmungen einzuhalten und sich bei den Behörden anzumelden, vor allem, weil wir normalerweise nur ein bis zwei Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter pro Land haben, was den Aufwand vervielfacht. Außerdem gibt es in anderen Ländern Prüfungen und Meldepflichten, die wir zusätzlich zu unseren Verpflichtungen in Deutschland erfüllen müssen.

Ein in Deutschland weniger bekanntes Beispiel ist die G37-Augenuntersuchung (https://de.wikipedia.org/wiki/G_37), die der Arbeitgeber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (nicht jedoch den Auftragnehmerinnen und Auftragnehmern) anbieten muss. Andere Länder haben möglicherweise ähnliche Vorschriften.

TDF arbeitet daher mit Dienstleistern zusammen, die sich um die eigentliche Beschäftigung, die Gehaltsabrechnung und die Einhaltung lokaler Vorschriften kümmern.

Was sind die Herausforderungen?

Das hat aber seinen Preis: TDF zahlt die Arbeitgeberkosten, eine Verwaltungsgebühr von etwa 600 USD pro Monat und dazu noch 19 % Umsatzsteuer. Das klingt teuer, ist aber viel günstiger, als selbst ein Büro im Ausland aufzubauen.

Außerdem sind die Parameter je nach Land oft sehr unterschiedlich und schwer zu vergleichen. In Österreich gibt es zum Beispiel eine Art Tarifvertrag für viel mehr Berufe, und 14 Monatsgehälter scheinen üblich zu sein. In den USA ist der durchschnittliche Jahresurlaub viel kürzer als in einigen europäischen Ländern, und die Kündigungsfrist ist kürzer. In manchen Ländern gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Krankheitstagen, was in Deutschland ungewöhnlich ist.

Eine weitere Herausforderung ist die faire Gehaltsbewertung. Das ist schon in Deutschland schwierig, wo wir den Markt am besten kennen, aber in anderen Ländern ist es noch viel schwieriger. Um die Bewerberinnen und Bewerber vergleichen zu können, müssen wir uns ein Bild von jeder Bewerbung machen. Wir müssen beurteilen, wie die geforderten Vertragsparameter im Vergleich zu den Standards des jeweiligen Landes aussehen, damit wir alle fair behandeln, egal wo sie leben. Das bedeutet, dass wir Vergütung, Urlaub und andere Parameter umrechnen müssen, um sie vergleichbar zu machen. Wir müssen auch beurteilen, ob eine potenziell niedrigere Gehaltsforderung aufgrund der höheren Verwaltungskosten für die Beschäftigung außerhalb Deutschlands tatsächlich kostengünstiger ist.

Im Laufe der Vertragsverhandlungen kann es zu Überraschungen kommen. Erst kürzlich bin ich in einem Land auf sehr unflexible Arbeitszeiten gestoßen. Andere Länder haben spezifische Vorschriften in Bezug auf die Krankenversicherung. In einigen Ländern muss eine bestimmte Person benannt werden, die für die Einhaltung aller lokalen Vorschriften verantwortlich ist – oft in Ländern, in denen wir niemanden haben, der sich mit dem Rechtssystem auskennt oder die Sprache beherrscht.

Selbst wenn der Vertrag unterschrieben ist, kann es noch Überraschungen geben. Ein Beispiel: Wir sollten uns auch um die A1-Bescheinigung (https://community.documentfoundation.org/t/from-the-machine-room-of-tdf-a1-confirmations/13147) für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Dienstleisters kümmern, weil es sonst für sie nachteilig wäre. Erst dieses Jahr hat es mehrere Wochen und wiederholte Anfragen gebraucht, um die Dokumente zu bekommen.

Ich hoffe, das erklärt ein bisschen, warum es hier manchmal länger dauert als erwartet.

TDF gibt sich besonders viel Mühe, bei der Einstellung sehr flexibel zu sein, alle fair zu behandeln und ordentliche Arbeitsverträge anzubieten, aber das braucht mehr Zeit als die Einstellung in nur einem Land.

Viele Grüße
Flo

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