Hallo,
um euch ein besseres Verständnis davon zu geben, wie die TDF
funktioniert, und um mehr Transparenz und Einblick für die Community zu
geben, möchte ich euch einen Blick hinter die Kulissen der Stiftung und
weitere Einblicke geben.
Ich habe bereits damit begonnen, Hintergrundinfos und Details zu
bestimmten Verwaltungsaufgaben
(https://community.documentfoundation.org/tags/c/board-discuss/26/training)
zu publizieren, und werde dort im Laufe der Zeit weitere Informationen
veröffentlichen.
In diesem Text geht es darum, wie die TDF aktuell funktioniert und wie
wir aufgebaut sind, damit ihr besser versteht, warum und wie manche
Dinge funktionieren (oder warum sie eben gerade nicht funktionieren).
Das ist natürlich der Status quo. Ich habe schon ein paar Ideen für
Änderungen und Verbesserungen für die Zukunft und werde sie zu einem
späteren Zeitpunkt in einer weiteren E-Mail mit euch teilen.
Die Herausforderung besteht darin, die Balance zu finden zwischen der
Verbesserung unserer Verwaltung, der Erfüllung unseres Stiftungszwecks
und der Bewältigung der Probleme aus der Vergangenheit. Wenn wir unsere
gesamte Zeit damit verbringen, unsere Struktur zu verbessern, dann
werden wir weder unseren Stiftungszweck erfüllen, noch die Probleme aus
der Vergangenheit lösen. Und wenn wir keine Zeit finden, uns mit den
Problemen aus der Vergangenheit zu befassen, könnte das ebenfalls zu
Schwierigkeiten führen.
Eine virtuelle Stiftung
Die Document Foundation ist eine der bekanntesten Free Software und
Open-Source-Organisationen und LibreOffice ist eines der bekanntesten
freien Softwareprojekte.
Viele Leute denken oft, dass wir irgendwo in Berlin ein Büro, eine
eigene Verwaltung, Besprechungsräume und einen Coworking Space haben.
Einige versuchen sogar, uns zu besuchen, um unser Büro zu finden, nur um
festzustellen, dass keiner von uns dort arbeitet. ;-)
Die Struktur bei der TDF ist anders. Das Team arbeitet von zu Hause aus,
manche auch aus Coworking Spaces. Es gibt keinen gemeinsamen physischen
Raum, alles ist virtuell miteinander verbunden. Das ist eine bewusste
Entscheidung, da wir ein internationales Team haben, das über viele
Länder verteilt ist und für das ein einziges Büro wenig Sinn machen würde.
Der Nachteil ist, dass wir keine zentrale Infrastruktur haben, wie zum
Beispiel die Lagerung von Materialien und Marketing-Utensilien. Wir
arbeiten mit Dienstleistern und dem privaten Engagement einiger Leute,
aber das macht die Sache natürlich etwas komplizierter, weil nicht jeder
zu Hause Platz hat, um sperrige TDF-Kisten in seinem Keller zu lagern,
und externe Lagerräume in vielen kleineren Städten gar nicht verfügbar sind.
Deshalb bitten wir die Community zum Beispiel, Originaldokumente wie
Reisebelege direkt an unsere Adresse in Berlin zu schicken, anstatt sie
uns persönlich bei Veranstaltungen und Konferenzen zu übergeben. Es gibt
keinen zentralen Lagerraum in der Nähe eines Teammitglieds.
Ein internationales Team
Unser Team besteht derzeit aus 15 Personen und ist über den ganzen
Globus verteilt, in verschiedenen Ländern, Kontinenten und Zeitzonen.
Aktuell suchen wir weitere Leute
(https://blog.documentfoundation.org/blog/2025/08/07/join-the-libreoffice-team-as-a-paid-developer-focusing-on-ui-with-initial-emphasis-on-macos-preferably-full-time-remote-m-f-d/).
Zufällig haben wir mehrere Leute in oder um München, aber wir haben auch
Kolleginnen und Kollegen in Spanien, Mexiko, Kanada, Frankreich,
Brasilien, Italien, Schweden und Finnland. Andere Organisationen haben
oft nur Teammitglieder an Orten, an denen sie ein eigenes Büro haben,
was im Fall von TDF bedeuten würde, nur in Deutschland einzustellen.
Schon seit geraumer Zeit hat die TDF beschlossen, mit Teammitgliedern
weltweit zusammenzuarbeiten. Das ist auch der Grund, warum ein
klassisches Büro wenig Sinn macht, da es nur für sehr wenige Menschen
erreichbar wäre und für andere nicht.
Das ist für die Stiftung im Ergebnis das Beste, weil wir weltweit nach
Talenten suchen können, aber es bringt auch einen ziemlichen
Verwaltungsaufwand in rechtlicher Hinsicht mit sich und unterschiedliche
Vorschriften (wie Urlaub, Feiertage oder Krankschreibungen) in den
verschiedenen Ländern sind zu beachten, ganz zu schweigen von den
Zeitzonen, oder den A1-Bescheinigungen, auf die ich kürzlich hingewiesen
habe
(https://community.documentfoundation.org/t/from-the-machine-room-of-tdf-a1-confirmations/13147).
Außerdem ist es schon eine große Herausforderung, in jedem Land eine
ordentliche Gehaltsanalyse zu machen. Ich habe selbst schon
Gehaltsspannen für eine bestimmte Position in Deutschland von 20.000 €
bis 80.000 € pro Jahr gesehen, was bei der Ermittlung einer fairen
Vergütung nicht hilfreich ist. Dies auf internationaler Ebene, in
verschiedenen Ländern und Kontinenten zu tun, ist noch anspruchsvoller,
insbesondere da wir alles dokumentieren müssen, damit es im Zweifelsfall
auch einer Prüfung standhält. Das erklärt, warum die Einstellung
manchmal länger dauert, da wir hier auch unsere Sorgfaltspflicht
erfüllen müssen.
Die Internationalität bei TDF bedeutet auch, dass wir uns um
administrative Aufgaben wie die monatliche Buchhaltung kümmern müssen,
welche wir auch übersetzen
(https://wiki.documentfoundation.org/TDF/Ledgers), zudem unseren
Jahresbericht, der für die offizielle Meldung an die Stiftungsaufsicht
vom Englischen ins Deutsche übersetzt werden muss
(https://www.documentfoundation.org/financials-and-reports/) sowie die
offizielle Rücklagenbildung samt Jahresabschluss, das vom Steuerberater
auf Deutsch erstellt, aber für die Abstimmung ins Englische übersetzt
werden muss
(https://community.documentfoundation.org/t/vote-approval-of-reserve-building-and-2025-budget/13142/).
All diese Dinge müssen in zwei Sprachen parallel erledigt werden, was
natürlich einen erheblichen Mehraufwand bedeutet. Mir sind keine anderen
Organisationen bekannt, die alle Dokumente in dem Umfang übersetzen wie
TDF. Wir versuchen, hier einen sehr hohen Standard zu halten, aber das
hat natürlich seinen Preis.
Viele verschiedene Bereiche abdecken
Auch was die verschiedenen Tätigkeiten des Teams angeht, unterscheidet
sich TDF von vielen anderen Organisationen. Anderswo gibt es oft
Überschneidungen bei den Rollen oder eine Aufgabe wird von mehreren
Leuten übernommen, während die TDF beschlossen hat, so viele
verschiedene Bereiche wie möglich abzudecken, um unseren Stiftungszweck
bestmöglich zu erfüllen. Teammitglieder können bei Urlaub oder Krankheit
für andere einspringen, aber wir haben selten jemanden, der genau die
gleiche Arbeit wie jemand anderes macht, was eine vollständige Abdeckung
erschwert.
So muss beispielsweise alles, was eine größere administrative Aufgabe
ist (z. B. die Unterzeichnung neuer Verträge) wahrscheinlich warten, bis
ich wieder da bin. Ein weiteres Beispiel: Jede größere
Infrastruktur-Aufgabe hängt wahrscheinlich von Guilhems Verfügbarkeit ab
– um nur zwei Beispiele zu nennen. Ähnliches gilt für
Umsatzsteuererklärungen
(https://community.documentfoundation.org/t/tdf-budgeting-how-to-version-20250708-01/13103),
zumindest in der Vergangenheit auch die Meldungen an die Bundesbank AWV
Z4
(https://community.documentfoundation.org/t/from-the-machine-room-of-tdf-federal-bank-awv-z4-filings/13150)
und vieles mehr.
Dadurch kann die TDF zwar mehr Bereiche abdecken, aber das geht auf
Kosten des Teams, das manchmal im Urlaub oder am Wochenende arbeitet
oder, im Falle der Infrastruktur, Nachtschichten einlegt oder an
Feiertagen ran muss, um die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu
halten.
Wir haben bestimmte feste Fristen, die trotz Urlaub, Abwesenheiten oder
Krankmeldungen eingehalten werden müssen. Ein Beispiel hängt mit der
Akzeptanz verschiedenster Währungen zusammen, mit denen wir Spenden aus
aller Welt annehmen – am letzten Tag des Monats müssen wir
sicherstellen, dass bei PayPal kein Restbetrag in einer Fremdwährung
übrig bleibt. Das hat sich zwar im Vergleich zu früher, als es oft
Restbeträge gab, deutlich verbessert, aber wir müssen trotzdem
regelmäßig nachsehen, auch am Nachmittag des 31. Dezembers, wenn die
meisten schon auf dem Weg zu ihren Silvesterfeiern sind.
Rückblick
Bis vor einigen Jahren wurde die Reduzierung der Verwaltungskosten etwas
auf die Spitze getrieben. Die Teammitglieder bezahlten viele Dinge aus
eigener Tasche, darunter auch essentielle Arbeitsgeräte wie Laptops,
Mobiltelefone und anderes. Um Kosten zu sparen, benutzten die
TDF-Teammitglieder in der Regel möglichst günstige öffentlichen
Verkehrsmittel, auch wenn das bedeutete, dass sie nachts lange auf
Anschlüsse warten oder manchmal mehrere Kilometer zu Fuß nach Hause
laufen mussten, um teurere Verbindungen zu vermeiden. Das gehört zwar
endlich der Vergangenheit an, aber es hat mehrere Mitarbeiter und
Freiwillige mehr als ein halbes Jahrzehnt lang beeinträchtigt und unser
Wachstum und unsere Wirkung in nicht gerade geringem Maße eingeschränkt.
Keine lockeren Anforderungen
Man könnte meinen, dass die administrativen Anforderungen für eine
gemeinnützige Organisation entspannter sind als für andere. Das stimmt
aber nicht – TDF sieht sich (mindestens) mit denselben Kontrollen
konfrontiert und muss dieselben (wenn nicht sogar mehr) Anforderungen
erfüllen wie jedes reguläre Unternehmen: Arbeitsrecht, Wettbewerbsrecht,
Steuer- und Umsatzsteuererklärungen, Sozialversicherung
(https://community.documentfoundation.org/t/from-the-machine-room-of-tdf-artist-social-security-ksk/13151)
und vieles mehr. Es gibt keinen „Bonus” oder „Rabatt” dafür, dass man
eine gemeinnützige Organisation ist, außer dem finanziellen, d.h. dass
man keine Steuern auf Spenden zahlen muss. Wir müssen uns mit genauso
vielen Behörden auseinandersetzen wie jedes andere Unternehmen, wir
haben die gleichen Regeln, Vorschriften und Meldepflichten.
Ein Kreuz mit den ganzen Meldungen
Ein Beispiel: Der zweijährige, regelmäßige Wechsel des Vorstands
verursacht einen ziemlichen Verwaltungsaufwand. Es müssen viele
Unterlagen eingereicht und mehrere Websites aktualisiert werden, was
leicht mehrere Stunden Verwaltungsarbeit in Anspruch nehmen kann. So
sind beispielsweise Impressumsangaben im Wettbewerbsrecht geregelt und
müssen daher auf dem neuesten Stand gehalten werden. Noch schlimmer ist
eine Adressänderung, da TDF derzeit (wir haben uns das mal notiert) an
etwa 126 (hundertsechsundzwanzig) Stellen registriert ist. Einer der
nervigsten Alpträume ist jede Änderung der Bankkonten – wir brauchen
Steuer-IDs, Passkopien (von denen einige abgelehnt werden, weil sie in
den Sicherheitssystemen nicht verifiziert werden können) und mehrere
Unterschriften auf Papier, was ebenfalls ziemlich viel Arbeit verursacht.
Außerdem erfordert jede Änderung in der Zusammensetzung des Vorstands
eine Aktualisierung des Transparenzregisters
(https://www.transparenzregister.de).
Auch wenn wir letztendlich viele Dinge digital einreichen können, ist
das immer noch mit einem gewissen Aufwand verbunden. Unsere
vierteljährlichen Mitgliedschaftsänderungen müssen sowohl vom
Vorsitzenden des MC als auch vom Geschäftsführer auf demselben
(digitalen) Dokument unterschrieben werden, was einige zusätzliche
Schritte erfordert. Und für manche Sachen reicht selbst das nicht aus,
weil eine Unterschrift des Vorstands erforderlich ist
(https://community.documentfoundation.org/t/decision-authorize-florian-to-sign-code-signing-certificate-power-of-attorney/12985).
Strenge Anforderungen
Eine weitere wichtige Frist ist die Meldung unserer aktuellen
Vermögenswerte bei der Haftpflichtversicherung. Sobald der versicherte
Wert erreicht ist, muss die TDF den aktualisierten Betrag melden, was
eine regelmäßige und genaue Überwachung erfordert.
Die Nichteinhaltung dieser Vorgabe führt vielleicht nicht umgehend zu
Problemen, kann sich aber bei einer Prüfung als nachteilig für TDF
erweisen. Ein „Klassiker” ist die Zahlung von Tagespauschalen (per
diem), weshalb ich persönlich davon nicht so begeistert bin. Wir müssen
prüfen, von welchem Land in welches Land jemand gereist ist, welche
Mahlzeiten von TDF bezahlt wurden (z.B. Hotelfrühstück und Catering),
das dokumentieren und ordentlich ausrechnen. Wenn wir das nicht machen,
kann das später Probleme geben, und der Verwaltungsaufwand ist nicht
gerade gering.
Dokumentation ist entscheidend
Die Veröffentlichung von Protokollen
(https://community.documentfoundation.org/tags/c/board-discuss/26/minutes)
und Entscheidungen
(https://community.documentfoundation.org/tags/c/board-discuss/26/decision)
ist ein weiterer Bereich, der viel Arbeit erfordert. Einerseits müssen
Notizen gemacht und in lesbare Protokolle umgewandelt werden,
andererseits ist auch die Entfernung sensibler Informationen eine
gewaltige Aufgabe. Ich bin froh, dass wir die Veröffentlichung dieser
Materialien verbessert haben, aber es bleibt eine zeitaufwändige
Aufgabe, selbst wenn wir mögliche Übersetzungen nicht mit einberechnen.
Eine weitere Aufgabe, die TDF zu bewältigen hat, ist die Dokumentation
der Anlagegüter. Jedes Jahr müssen wir bei unserem Jahresabschluss genau
auflisten, welche Anlagegüter (z.B. Hardware) wir noch haben, wo sie
sich befinden und welche davon defekt sind. Aus diesem Grund erhalten
Community-Mitglieder von Zeit zu Zeit eine E-Mail, in der sie gebeten
werden, zu bestätigen, dass sie eine bestimmte Hardware noch haben und
noch benötigen. Das ist kein Misstrauen, sondern dient dazu, unsere
Dokumentationspflichten zu erfüllen (und auch dazu, Hardware an andere
zu schicken, falls sie bei jemandem nicht mehr gebraucht wird).
Nervige Bürokratie
Apropos Hardware: Einige haben angemerkt, dass wir zögerlich sind,
Hardware außerhalb Europas zu versenden. Das hat weniger mit den
Versandkosten zu tun, sondern eher mit dem Zoll. Wenn wir irgendwo
Hardware bestellen und diese nicht mehr gebraucht wird, kann sie nicht
einfach an TDF in Berlin zurückgeschickt werden. Es würde Zoll anfallen
und Formulare müssten ausgefüllt werden, was Zeit und Geld kostet, und
wir haben noch keine effektive Lösung dafür gefunden. Besonders
schwierig ist das für Zollgebiete mit nur wenigen aktiven
Community-Mitgliedern, da das Risiko steigt, dass es niemanden in diesen
Gebieten gibt, an den man etwas zurückschicken kann.
Ein weiterer Punkt, den einige erwähnt haben, ist die empfundene nervige
Anforderung an Reisekostenerstattungen, die nach Berlin geschickt
werden. Das ist keine bewusste Entscheidung unsererseits – wir würden
gerne alles digital erledigen und nichts verschicken. Aus steuerlichen
Gründen müssen wir aber unterschriebene Formulare und Dokumente haben,
weshalb wir die Community damit behelligen müssen.
Außerdem müssen unsere Marken regelmäßig erneuert werden, einschließlich
des Nachweises der Nutzung. Die Formalitäten können zwar von den
Anwälten erledigt werden, aber TDF muss die Nutzungsnachweise dafür
vorlegen.
Zum Glück wird es manchmal aber auch einfacher. Nach einem Wechsel des
Kreditkartenanbieters ist die PCI-DSS-Verifizierung
(https://en.wikipedia.org/wiki/Payment_Card_Industry_Data_Security_Standard)
viel einfacher geworden. Wir brauchen sie, um Spenden per Kreditkarte
anzunehmen. Vorher war das ein komplexes Formular, bei dem man
Firewall-Einstellungen und andere Details dokumentieren musste.
Manchmal ist es sogar nicht mal möglich, einfach ein Bankkonto
(https://community.documentfoundation.org/t/decision-mandate-redacted-name-of-lawyer-or-law-firm-wrt-redacted-name-of-bank-authorize-florian-to-sign-the-mandate/12940)
oder ein Kryptowährungskonto zu schließen
(https://community.documentfoundation.org/t/previous-private-minutes-2022-05-02/12808).
Was aber ein Mysterium bleibt, das sind Banküberweisungen ins Ausland.
Die Gebühren sind hoch (etwa 40-50 € pro Überweisung sind ziemlich
normal). Manchmal sind Zahlungen überhaupt nicht möglich, für andere
Überweisungen müssen wir der Bank die Details der Zahlung dokumentieren
und erklären, weil es Regeln zur Verhinderung von Geldwäsche gibt. Die
Prüfungen treffen uns ab und zu wegen unserer internationalen
Aktivitäten auch in Ländern, die von den Banken als „Hochrisiko”
angesehen werden (das ist der Begriff, der mir genannt wurde). Wenn
deine Rückerstattung also etwas länger dauert, liegt das vielleicht
nicht daran, dass TDF langsam ist, sondern eher daran, dass die
Bürokratie ins Spiel kommt...
Es gibt immer mehr Regeln
Ich werde nicht im Detail auf alle Herausforderungen eingehen, die
einige EU-Vorschriften an uns stellen, z. B. DSGVO
(https://en.wikipedia.org/wiki/General_Data_Protection_Regulation), DORA
(https://en.wikipedia.org/wiki/Digital_Operational_Resilience_Act) und
CRA (https://en.wikipedia.org/wiki/Cyber_Resilience_Act), aber sie
bedeuten auch wieder mehr Arbeit für die TDF.
Verschiedene Länder, verschiedene Gewohnheiten
Eines der häufigsten Memes, das ich gehört habe ist, dass die deutschen
Regelungen daran schuld sind, dass alles so kompliziert ist. Fallt bitte
nicht auf diesen Irrtum herein. Ich sage nicht, dass hier alles perfekt
ist – aber ich habe noch kein Rechtssystem gesehen, in dem alles perfekt
ist. Jedes Land hat seine ganz eigenen Regeln und Eigenheiten. Solange
man davon nicht betroffen ist, ist alles in Ordnung, und vielleicht ist
für den konkreten Anwendungsfall ein Rechtssystem besser geeignet als
ein anderes. Das bedeutet jedoch nicht, dass einige Länder generell
„besser” sind als andere. Auch in Bezug auf die Sprache ist es durchaus
üblich, dass jedes Land seine Hauptsprache(n) hat, in der/denen die
offizielle Korrespondenz zu führen ist. Ich bezweifle, dass du im
Vereinigten Königreich offizielle Anträge auf Französisch oder
Italienisch stellen oder deinen Jahresabschluss für Frankreich auf
Japanisch einreichen kannst. Nur weil einige Länder Englisch als
Hauptsprache haben und weil es, wenn überhaupt, der kleinste gemeinsame
Nenner unserer Community ist, sollten wir nicht davon ausgehen, dass es
eine Sprache ist, mit der jeder vertraut ist. Sprachliche
Herausforderungen sind etwas, mit dem wir in jedem Land konfrontiert sind.
Auch wenn wir nicht in einem Land ansässig sind, können wir dennoch von
bestimmten dortigen Gesetzen betroffen sein. Beispiele hierfür ist der
UK Online Safety Act
(https://en.wikipedia.org/wiki/Online_Safety_Act_2023), verschiedene
Vorschriften für gemeinnützige Organisationen
(https://community.documentfoundation.org/t/compliance-with-uk-charities-act/13047)
in anderen Ländern oder ausländische Steuerformulare
(https://www.irs.gov/forms-pubs/about-form-w-8-ben) für den Empfang von
Zahlungen aus Übersee.
Auswirkungen auf jeden Einzelnen
Ich bin bei weitem nicht der Einzige, der davon betroffen ist und eine
extra Schippe drauflegen muss, damit all diese Dinge für eine
internationale Community funktionieren. Wenn wir auf das letzte
Jahrzehnt zurückblicken, mussten einige im Team ihre Urlaube oder
Wochenenden unterbrechen, um sich manchmal um dringende Aufgaben oder
Fristsachen, manchmal auch um komplexe rechtliche Angelegenheiten zu
kümmern. Für alles Unerwartete und Dringende gibt es in der Regel, wie
oben erwähnt, nur einen einzigen Ansprechpartner, der sich um die
Details kümmern kann, ohne dass es einen vollständigen Stellvertreter
gibt. Auf lange Sicht ist das nicht gut für die Menschen, wenn sie nie
von ihrer Arbeit abschalten können. Das Gleiche gilt natürlich auch für
alle Freiwilligen im Vorstand und im Mitglieder-Komitee, für die die
Situation noch schwieriger ist, da sie eine rein ehrenamtliche Tätigkeit
ausüben. Manchmal führen die schiere Menge an parallelen Aufgaben und
auch bestehende Probleme, die gelöst werden müssen, dazu, dass die
strategische Arbeit ins Hintertreffen gerät, ebenso wie das
Repräsentieren der TDF bei Veranstaltungen und andernorts, was eine sehr
unbefriedigende Situation ist.
Warum ich das alles schreibe
Wir haben nie wirklich viele Details dazu geteilt, wie die TDF
funktioniert und arbeitet. Es gibt hier und da Informationen im Wiki und
im Forum, aber keinen (hoffentlich) umfassenden Überblick. Die Community
bemerkt manchmal, dass Dinge nicht passieren, nicht schnell genug
passieren oder nicht die Priorität haben, die sie sich erhofft hatte.
Das ist keine böse Absicht. Dinge können übersehen werden, unter den
Tisch oder durchs Raster fallen, aber oft liegt es einfach daran, dass
die TDF groß ist, viele Dinge parallel laufen, die Stiftung
international aktiv ist, aber im Gegensatz zu anderen großen
Organisationen versucht, in Bezug auf Verwaltung, Personalwesen, Recht,
Finanzen und anderen Bereichen ein schlankes Profil zu bewahren.
Was wir alle tun können
Wir könnten natürlich beschließen, nicht in Projekte zu investieren, um
unsere Mission tatsächlich zu erfüllen, und das Geld stattdessen für den
Ausbau der Verwaltung verwenden, aber das würde zu nichts führen, was
für die Community und unsere satzungsmäßigen Ziele sichtbar wäre. Ich
habe zwar keine Blaupause, aber ich denke, es gibt mehrere Dinge, die
wir alle gemeinsam tun können, um als Community ziemlich schnell
voranzukommen:
* Wir müssen verstehen, dass bestimmte Strukturen eine bewusste
Entscheidung sind. Dann müssen wir uns aber auch bewusst sein, dass das
einen entsprechenden Preis hat und nicht einfach so vom Himmel fällt und
vielleicht auch Zeit von anderen Aufgaben wegnimmt.
* Wir müssen uns gegenseitig unterstützen. Wenn die Stiftung dich
bittet, eine gescannte Kopie aller deiner Reisebelege in digitaler Form
zu schicken und dann das Original an unsere Adresse in Berlin zu
schicken, dann ist das nicht, um dich zu nerven oder Dinge zu verzögern.
Wenn wir dich fragen, ob du bestimmte Hardware noch hast, dann ist das
kein Misstrauen, sondern die Erfüllung unserer Pflichten. Wenn jeder ein
bisschen was tut, hilft das, die Last nicht nur auf einige wenige
Schultern zu verteilen.
* Wir müssen richtig planen. Ich bin zum Glück nicht an der
Reiseorganisation und an Hotelbuchungen beteiligt, aber ich weiß, dass
die Situation hier ähnlich herausfordernd ist. TDF ist kein Reisebüro.
Wenn Leute nicht bezüglich ihrer Reisepläne antworten oder diese häufig
oder in letzter Minute ändern, bedeutet das viel Arbeit und Belastung
für die Stiftung. Auch hier gilt: Wenn jeder richtig plant und ein
bisschen was beisteuert, können wir gemeinsam so viel mehr erreichen.
Tatsächlich hat die TDF übrigens schon versucht, mit verschiedenen
Reiseagenturen zusammenzuarbeiten, um das Problem auszulagern, aber
diese haben uns entweder von vornherein abgelehnt, waren zu teuer oder
entsprachen nicht unseren Anforderungen.
* Leute, die eine Rolle im Vorstand oder im Mitglieder-Komitee
übernehmen, müssen sich bewusst sein, dass sie neue Aufgaben bekommen,
oft in Bereichen, die nichts mit ihrem eigentlichen Tätigkeitsfeld im
Projekt zu tun haben. Mitglied eines Leitungsgremiums zu sein, das ist
keine bloße Belohnung für deine Arbeit im Projekt – es bringt große
Verantwortung mit sich, und du musst dafür bereit sein.
* Wir müssen auf diejenigen hören, die Erfahrung in ihrem Bereich haben
und die diese Arbeit schon seit längerer Zeit machen. Fragen zu stellen
und einen andere Blickwinkel reinzubringen ist in Ordnung und kann sogar
helfen, das Projekt aus einer anderen Perspektive und mit einem frischen
Mindset zu betrachten. Nicht in Ordnung ist es jedoch, anzunehmen, dass
jemand, der noch nie eine zumindest ähnliche Rolle inne hatte, alles
besser weiß.
* Lasst uns zuerst nach Wissen „inhouse” suchen. In großen Unternehmen
ist es durchaus üblich, externe Berater zu beauftragen, um das
Offensichtliche zu sagen. Dies führt zu Verzögerungen und Kosten, wobei
das Ergebnis viel einfacher und kostengünstiger hätte erzielt werden
können. Leider ist niemand Prophet in seinem eigenen Land, aber wir
sollten nicht vergessen, dass wir bei der TDF über viel Kompetenz
verfügen. Wir alle haben TDF aufgebaut, wir alle haben eines der
wichtigsten freien und Open-Source-Projekte geschaffen, und wir alle
sorgen dafür, dass die Dinge jeden Tag funktionieren. Auch wenn es
verlockend ist, auf den Schultern von vermeintlichen Giganten zu stehen,
sollten wir nicht vergessen, dass wir in manchen Dingen selbst Giganten
sind und unserem eigenen Urteilsvermögen vertrauen sollten.
* Wir müssen Fehler tolerieren. Vor einigen Jahren habe ich selbst
gesehen, wie mehrere Leute TDF verlassen haben, nachdem sie für einen
einzigen Fehler, den sie gemacht hatten, gescholten wurden. Eine
angemessene Fehlerkultur ist wichtig, denn nur wenn wir Fehler machen,
können wir lernen, wachsen und uns weiterentwickeln.
Ich habe einige Ideen für Verbesserungen und Änderungen, die ich später
in einer separaten E-Mail mitteilen werde.
## Über mich
Für diejenigen, die neugierig sind, warum ich all dies schreibe und was
mein Hintergrund ist, möchte ich auch einige Informationen über mich
selbst geben:
Ich habe mein Engagement als Ehrenamtlicher bei OpenOffice.org im Jahr
2004 im deutschsprachigen Marketingprojekt begonnen. Drei Jahre später
wurde ich zum Co-Lead des internationalen Marketingprojekts ernannt
(https://www.mail-archive.com/dev@marketing.openoffice.org/msg05922.html)
und 2010 hatte ich die Ehre, die Leitung des internationalen
Marketingprojekts
(https://www.mail-archive.com/dev@marketing.openoffice.org/msg09584.html)
und damit die Aufgaben meines Mentors John McCreesh zu übernehmen, der
leider 2016 verstorben ist
(https://blog.documentfoundation.org/blog/2016/01/24/r-i-p-john-mccreesh/).
Von vielen von euch habe ich in dieser Zeit viel gelernt, und viele von
euch habe ich in dieser Zeit zum ersten Mal getroffen. All diese
Erfahrungen schätze ich sehr.
In Deutschland haben wir 2005 angefangen, einen gemeinnützigen Verein
namens OpenOffice.org Deutschland e.V., später bekannt als Freies Office
Deutschland e.V., zu gründen, in dem ich zuerst als Jugendwart, später
als Vorstandsmitglied und schließlich im Aufsichtsrat tätig war. Dieser
Verein ist die Stifterin der The Document Foundation.
Zusammen mit unserem Anwalt Mike Schinagl habe ich den rechtlichen Teil
des Gründungsprozesses vorangetrieben und die Satzung unserer Stiftung
geschrieben. Von 2012 bis 2014 war ich der erste Vorsitzende des
Vorstands der TDF und seit dem 1. März 2014 bin ich Geschäftsführer der
Stiftung. Davor habe ich als freier Journalist, als Berater für
Open-Source-Strategien und als Systemadministrator gearbeitet und ich
habe einen juristischen Hintergrund.
Ich habe die TDF von Anfang an miterlebt, als sie noch eine bloße Idee
war, bis hin zu dem, was sie heute ist.
Ich hoffe, dass ich mit der obigen Nachricht etwas Licht ins Dunkel
bringen kann, wie die Dinge bei der TDF funktionieren, damit wir als
nächsten Schritt über Verbesserungen diskutieren können.
Florian
--
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- [de-discuss] Ein Blick hinter die Kulissen der TDF-Verwaltung · Florian Effenberger
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