Hallo Matthias,
Ich möchte einen (Nach/Um-)Denkprozess anregen.
Vor 30 Jahren - 1984 - kam der Apple Macintosh auf dem Markt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Apple_Macintosh
Ich hatte damals das Vergnügen damit arbeiten zu dürfen
und den Unterschied zu erleben zu anderen Systemen dieser Zeit.
Ja, und ich hatte einen Amiga, der in mancher Beziehung ebenfalls
seiner Zeit voraus war und in mancher Beziehung immer noch ist.
Immerhin lebt das System noch immer, wenn auch nur als virtuelle
Maschine (UAE sei Dank!).
Der Mac hatte eine Fensteroberfläche und Office-Anwendungen.
Es gab ein echtes WYSIWYG - _durchgängig_ bis zum Drucker.
Das ist nicht ganz korrekt! Die Bildschirmauflösung war schon immer
geringer als die Druckauflösung und manche Textverarbeitungen haben die
eingebauten Zeichensätze des Druckers verwendet und keinen
Grafikausdruck gemacht. Das war zwar nahe am WYSIWYG, aber eben nur
nahe...
Heute gibt es hingegen immer wieder Probleme mit
Formatierungsveränderungen beim Druckerwechsel.
Und das war schon immer so! Entweder hatte man andere Druckränder,
andere Seitenformate, oder andere Zeichensätze. Nur hat man selten die
Dateien so frei in der Gegend herum tauschen können, daher fiel das
weniger auf. In den meisten Fällen konnte man auch kaum die Disketten
des eines Systems auf einem anderen laden...
Leider ist ein Punkt - genau definiert im Druck - auf
Druckern unterschiedlich definiert. Daher wird ein
Text auf unterschiedlichen Druckern mit unterschiedlichen
Seitenumbrüchen dargestellt. Schade !
Nunja: Du redest hier von _Fließtext_. Der ist eben genau dazu gemacht,
die vorhandene Fläche zu füllen. Ist die Fläche dann größer oder
kleiner, kommt es zu Layout-Änderungen.
Nur zum Vergleich: Früher waren auch die meisten Webseiten so
gestrickt, dass man umso mehr Text zu Gesicht bekam, desto größer der
Bildschirm war. Heute werden Webseiten so "festgenagelt", dass man sich
manchmal fragt, wozu man eigentlich einen breiten Bildschirm hat.
Der Mac von 1984 erschien durchaus performant - und
...
Muss das heute so langsam sein?
Wohin verpufft all die viele Rechenleistung?
Warum wird der viele Speicher scheinbar so schlecht genutzt?
Ich gebe dir in einer Beziehung recht: Ich wundere mich manchmal auch,
warum ich heute nicht wesentlich mehr mit der Kiste machen kann, als
mit meinem guten alten Amiga. Wenn ich überlege, dass es bei Turbocalc
möglich war, die Spaltenzahl zu begrenzen und dann (bei 2 MB
Hauptspeicher!) bis zu 4 Mio(!) Zeilen im Spreadsheat zu verwenden...
Aber: Hast du damals wirklich schon 24-bit Grafiken mit mehreren
tausend Pixeln Seitenlänge im über 100 Seiten in Texten verwendet?
Hast du eine Echtzeit-Rechtschreibkorrektur gehabt?
Oder wenn es um die Dateiformate geht: Damals waren das meist völlig
verwurstelte Binärformate, die untereinander völlig inkompatibel
waren. Selbst die Zeichensatz-Codierungen waren unterschiedlich.
Wenn ich ans ODF-Format denke: Wie lange hat es damals gedauert, wenn
man wenige KB als ZIP (bzw. LHA) verpacken wollte...
Warum ist das LO-Paket heute *mehr als 200MB* groß
wenn man es komprimiert als zip herunterlädt?
Muss das wirklich so groß sein?
Die Frage ist: Wie bequem soll es der Benutzer haben?
Meine erste Text"verarbeitung" war sehr schlicht: Absatzvorlagen o.ä?
Vergiss es! Bilder einbinden: Nur 2 Formate in s/w! Zeichensätze?
2!, ... Dafür war das Teil aber nur 260 KB groß.
Die nächste konnte immerhin mit TTF-Zeichensätzen umgehen, hatte
Postscript-Export, konnte mit Grafiken gut umgehen, hatte aber auch
noch keine echte Vorlagen-Verwaltung. Größe 5 MB.
_Ich_ habe damit prima arbeiten können, weil ich entsprechend
diszipliniert herangegangen bin und gelernt habe, wie ich meine Arbeit
in kleinere Teilarbeiten zerlege, bis ich jede dieser Teilaufgaben mit
einem meiner Programme erledigen und sie dann zu einem Ganzen zusammen
fügen kann. Dazu habe ich auch mehrere hundert Seiten Dokumentation
gelesen.
Anschließen kam dann LaTeX, mit dem man wirklich professionelle Texte
bauen konnte. Das war aber _ohne_GUI_ schon 15 MB groß.
Wem nützt der ganze Overkill an Resourcen seit 1984?
Macht es nicht Sinn sich einmal zurückzubesinnen
was *schlanke* Software 1984 leisten konnte und heute könnte?
Tja... wie schaut es denn heute aus:
Die Kenntnisse von Text_verarbeitung_ sind eher schmal. Die
Bereitschaft, sich die Kenntnisse anzueignen, sind auch nicht immer
da.
Es sollen Vorlagen für jeden beliebigen Zweck dabei sein. Möglichst
noch hunderte von Cliparts und Zeichensätzen.
Wenn jemand Etiketten kauft, dann soll ihm ein "Assistent" zur Seite
stehen, mit dem er die bedrucken kann, obwohl die Sache mit einer
Tabelle schnell selbst gemacht ist.
Ach ja: Wörterbücher für die Rechtschreibung und am besten noch eine
Grammatik-Prüfung sind ja auch nicht verkehrt. Von den ganzen weiteren
Spielchen (Datum, Zahl, Weblink automatisch erkennen...) ganz abgesehen.
Dazu kommen dann ein Präsentationsprogramm, eine Tabellenkalkulation,
eine Datenbank(-anbindung) und manche möchten dann noch einen
Kalender und ein Adressbuch und ein Grafikprogramm... Dabei könnte
die Welt einfacher sein, wenn man _ein_ Programm für _eine_ Tätigkeit
verwendet, dass seine Aufgabe gut beherrscht. Aber dann muss man selber
einen Arbeitsablauf zusammen stricken und ggf. auf _offene_Standards_
achten, damit die Daten zwischen den Programmen ausgetauscht werden
können.
Ich hoffe daß ich mit diesen Zeilen einen Nachdenkprozess
anregen kann.
Manchmal ist weniger mehr. Darüber sollte man aus meiner
Sicht *zumindest einmal nachdenken*.
Da müsstest du ein Umdenkprozess bei den _Benutzern_ anregen. Solange
die meisten Leute sich von "schickem Aussehen" und jeder Menge Pseudo-
intelligentem Verhalten einer Software beeindrucken lassen, wird sich
an dem unaufhörlichen Aufrüsten kaum was ändern.
Für mich symptomatisch: Die Ribbon-Oberfläche von Word. Für
"Textzusammenklicker", die ihre Textverarbeitung wie ein "Malprogramm
für Texte" verwenden, ist das zeug nicht schlecht. Aber für mich ist
das einfach nur grausig! Was nützt aber meine meinung, wenn ich in der
Minderheit bin <SEUFZ>.
...
Wie gesagt: Ich kann deinen Standpunkt verstehen, aber ich sehe wenig
Chancen, dass sich das Blatt wendet.
Gruß,
Michael
--
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/ / / / /__/ Michael Höhne /
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